Liebe Leserin, lieber Leser,

Reinhold Friedrichs ist Priester und wird seit 1935 vom Naziregime als politisch unzuverlässig eingestuft. Er ist befreundet mit dem Münsteraner Josef Schmelter, der ein Fotogeschäft führt. Beide kennen sich seit etwa 1925.

 

Über ihre Schicksale und wie es ihnen in den Jahren ab 1933 erging, erzählt dieser Beitrag.


Zur Erinnerung an Josef Schmelter und Reinhold Friedrichs

Josef Schmelter 1907-1955
Josef Schmelter 1907-1955

Nach mehreren Stationen wird Kaplan Reinhold Friedrichs in den 1920er Jahren  Religionslehrer an den städtischen Handels- und Berufsschulen in Münster.

 

Als Josef Schmelter sich in der kaufmännischen Ausbildung befindet, kreuzen sich ihre Wege. Reinhold wird sein väterlicher Freund. Auch nach Josefs Tod im Jahre 1955 bleibt Reinhold Friedrichs ein guter Freund der Familie Schmelter.

Reinhold Friedrichs 1886-1964
Reinhold Friedrichs 1886-1964

Reinhold Friedrichs: oben - Mitte darunter Josef Schmelter
Reinhold Friedrichs: oben - Mitte darunter Josef Schmelter
Einwohnerbuch 1930
Einwohnerbuch 1930

Das Foto aus dem Jahre 1929 zeigt den 22-jährigen Josef Schmelter im Kreise der Mitglieder des Katholisch kaufmännischen Vereins.

Familie Josef Schmelter

Josef und Maria Schmelter haben drei Söhne - Reinhold, Ernst-August und Peter. Sie sind gläubige Christen und mit der katholischen Kirche eng verbunden.

Firmeneintrag Einwohnerbuch 1939
Firmeneintrag Einwohnerbuch 1939

Josef Schmelter betreibt seit 1939 ein erfolgreiches Fotogeschäft in der Hammer Straße 5. Nicht weit entfernt davon befinden sich die Wohnung und das Labor für die Filmentwicklung. Dieses Fotogeschäft ist die Keimzelle einer erfolgreichen Firmengeschichte

 

Am 12.9.1944 werden durch eine schwere Bombardierung die Wohnung, das Fotogeschäft und das Labor völlig zerstört. Die Familie hat ihr Hab und Gut - wie viele andere Menschen in jener Zeit auch - auf einen Schlag verloren. Sie stehen vor dem Nichts.

 

Die Familie findet in einem kleinen Holzhaus in Greven-Westerode eine neue Unterkunft. In Greven gründet Josef Schmelter für drei Jahre ein Fotogeschäft. 1948 kehrt die Familie zurück nach Münster.

Joeseg und Maria Schmelter - Frühe 1950er Jahre
Joeseg und Maria Schmelter - Frühe 1950er Jahre
Josef mit Reinhold (links) und Ernst-August um 1940
Josef mit Reinhold (links) und Ernst-August um 1940

Reinhold Friedrichs kommt ins KZ

Gauhaus am Aasee  - Sammlung Stoffers (Münsterländische Bank - Stadtarchiv)
Gauhaus am Aasee - Sammlung Stoffers (Münsterländische Bank - Stadtarchiv)

Die Nazis verbieten Reinhold Friedrichs 1935 jegliche Tätigkeit als Religionslehrer. Als er 1941 nach mehreren Gefängnisaufenthalten ins KZ Dachau verschleppt wird, versucht sein Freund Josef Schmelter, beim münsterschen Gauleiter Dr. Alfred Meyer (Teilnehmer der Wannsee-Konferenz) zu intervenieren. Erfolglos. Bei einem erneuten Versuch wird ihm gesagt, er solle das lassen, sonst lande er beim nächsten Mal ebenfalls im KZ. Diese Form der Zivilcourage ist in jener Zeit lebensgefährlich, aber es ist für Josef kein Grund, sich nicht für seinen Freund einzusetzen oder es nicht zumindest versucht zu haben.

Ernst-August Schmelter
Ernst-August Schmelter

Ernst-August Schmelter erinnert sich an die Erzählung seines Vaters:

Nun der Schrecken: 1941 hielt Reinhold Friedichs zweimal Predigten, in denen er indirekt das Hitler Regime kritisierte. Zur gleichen Zeit hielt auch unser Bischof Clemens-August einige Male sonntags in der Überwasserkirche und in der Lambertikirche Predigten mit Hitler Kritik. Die Nazis kontrollierten das alles und schalteten sich ein.

 

Wie man nach dem Kriege herausfand, hatte Berlin festgelegt, den Bischof zunächst nicht anzutasten, da man dann im hoch katholischen Münster vor einer Revolte der Bevölkerung Angst hatte. Also wurde als Warnung der Kaplan Reinhold Friedrichs ins KZ verschleppt. Mein Vater war entsetzt und setzte sich mit dem Gauleiter in Verbindung. Als er dann noch einen zweiten Besuch machte, wurde ihm erklärt:  "Sollten sie noch einmal in der Sache Friedrichs vorsprechen, so werden auch sie dort landen."

 

Mit Freude und Erleichterung erfährt Familie Schmelter nach dem Kriegsende, dass Reinhold Friedrichs das KZ überlebt hat. Noch im Jahre 1945 erhält er die Ernennung zum Domkapitular.

 

Reinhold Friedrichs stirbt 1964 in Münster. Seine Beerdigung findet unter großer Anteilnahme der münsterschen Bevölkerung statt. Ein langer Trauerzug begleitet ihn zur letzten Ruhe. - Eine Straße in Münster trägt seinen Namen.


Trauerzug -  Beerdigung Domkapitular Reinhold Friedrichs 1964

Sammlung Stoffers (Münsterländische Bank - Stadtarchiv)

Josef Schmelters Neuanfang

In Münster sind Schmelters Wohnung, Fotogeschäft und Labor unwiederbringlich verloren. Ein Neuanfang muss gemacht werden, um die Existenz der Familie zu sichern. Hier beweist Josef Schmelter Kreativität, Verhandlungsgeschick und Vorausschau - und er hat eine glückliche Hand.

Picknick: Maria, Josef und Ernst-August - 1947
Picknick: Maria, Josef und Ernst-August - 1947

Er führt mehrere Gespräche mit Major Hubble vom Military Gouvernement am Schlossplatz. Mit Erfolg!

 

Bereits vier Monate nach Kriegsende erhält Josef Schmelter ein Dokument, das zur Grundlage seiner neuen Geschäftstätigkeit wird. Ihm wird die Aufgabe erteilt, Krankenhäuser, Kliniken und Untersuchungsstationen in Westfalen mit Mikroskopen, Leicas, Projektoren, Röntgenfilmen usw. zu beliefern.

 

Diese Dokumente sind in jener Zeit besondere und vertrauensvolle Auszeichnungen. Es ist der Beginn des Krankenhaus-Geschäftes der Firma Josef Schmelter. Der Grundstein ist gelegt, und fortan gilt der Firmen-Slogan ,Mikro-Röntgen'.

 

In den ersten 3 Nachkriegsjahren ist die Firma noch in Greven am Marktplatz etabliert.

Salzstraße 61 und Josef Schmelters früher Tod

Salzstraße 61
Salzstraße 61

Josef Schmelter baut 1948 das vollständig zerstörte Geschäftshaus Salzstraße 61 wieder auf. Zuvor hat er von der Erbengemeinschaft Schöning aus Paderborn einen 50jährigen Pachtvertrag erhalten. Die Geschäftseröffnung ist im Jahre 1949.

 

Mit der Währungsreform 1948 kommt auch der Handel mit Foto- und Kinoprodukten wieder in Gang. Die Geschäfte in Deutschland blühen auf. Josef Schmelter darf sein Unternehmen in der Salzstraße 61 ,Leica Spezialhaus Leica' nennen. Ein besonderes Privileg.

 

1953 wird das Haus Hörsterstrasse 54 nach dem Grundstückserwerb wieder aufgebaut. In diesem Gebäude finden ein großes Fotolabor sowie die Verwaltung des Geschäftes ihren Platz.

 

Es sind die ersten Jahre nach dem Krieg. Die Tuberkulose ist eine typische Infektion in dieser Zeit, an der auch Josef Schmelter schwer erkrankt.

 

Josef Schmelter stirbt 1955 mit erst 48 Jahren.


Ein Schlusswort

Reinhold Friedrichs war eine bedeutende Priesterpersönlichkeit, die sich für Glauben und christliche Werte einsetzte, egal welche persönlichen Konsequenzen drohten.

Josef Schmelter stand seinem Freund Reinhold Friedrichs bei, indem er versuchte, ihn aus dem KZ zu befreien. Dazu gehörte in jenen Jahren viel Mut. Auch nach seinem Tod blieb die enge Verbindung der Familie mit Reinhold bestehen.

 

Josef Schmelter gehört zu den Menschen jener Generation, die in entbehrungsreicher Zeit mit Zuversicht und Tatkraft das zerstörte Münster wieder aufbauen.


Quellen

Text: Henning Stoffers

Abbildungen, wenn nicht anders angegeben: Ernst-August Schmelter