im Oktober 2022
vor einigen Tagen erhielt ich einen handgeschriebenen Brief, dem zwei Fotos beilagen. Frau Karola Kluge geb. Newels (Geburtsjahr 1930) schrieb, dass ihr Vater Lehrer an der Gievenbecker Volksschule war.
Ihre Erinnerungen aus der Kindheit hat sie mir bei einem Treffen so anschaulich und detailreich erzählt, als wäre es erst gestern gewesen. Sie berichtete auch von ihren Ängsten, als der Pilot eines von der Flak abgeschossenen Flugzeuges - an einem Fallschirm baumelnd - nicht weit von ihr landete. Es war der große Luftangriff vom 10.10.1943.
Was sie zu den Bildern mitteilte, ist im Folgenden vermerkt und von mir ergänzt worden.
Ich danke Frau Kluge für ihre Informationen.
Von diesen beiden Kotten Essing und Rössmann am Anfang des Enschedeweges fehlt heute jede Spur. Der Weg im Vordergrund ist unbefestigt, während die kleine Straße an den Bauernhöfen bereits eine Pflasterung aufweist. Das Foto wurde 1935 aufgenommen.
Karola Kluge weiß über den alten Rösmann zu berichten, dass dieser die lustige Bezeichnung "Läutnant von Gievenbeck" von seinen Nachbarn erhalten hatte. Er läutete nämlich mittags um 12 Uhr die Kirchenglocke.
Ein Bild aus einer längst vergangenen Zeit.
Kinder spielen auf dem unbefestigten Schulhof.
Aus geöffneten Fenstern beobachten zwei Frauen das Treiben.
Das kleine, blonde Mädchen links neben den ringenden Jungen zeigt die dreijährige Karola.
Das obige Bild zeigt die Gievenbecker Volksschule im Jahre 1933. Karola Kluges Vater, Josef Newels, war dort Lehrer. Der rechte, eingeschossige Teil des Gebäudes - ein späterer Anbau - diente als Lehrerwohnung, ein Teil davon wurde als Klassenraum genutzt. Der kleine Anbau rechts am Bildrand war die Toilette nur für die Jungen. Erst später gab es auch eine Mädchentoilette.
Das nebenstehende Foto wurde als Ansichtskarte hergestellt. Am linken Rand ist das alte Gievenbecker Kriegerdenkmal aus dem 1. Weltkrieg zu sehen.
Nach dem Abriss der Schule kam 1970 an diese Stelle die neue St. Michael Kirche. Das alte Kriegerdenkmal musste weichen und wurde inzwischen durch ein neues ersetzt. Ein weiterer Gedenkstein erinnert an die Gefallenen des 2. Weltkrieges.
Oben:
Ein Blick ins Klassenzimmer im Jahre 1932. Mehrere Schülerjahrgänge haben sich in dem Klassenraum zum Gruppenfoto versammelt. In der letzten Reihe steht Lehrer Josef Newels mit älteren Schülern.
Karola Kluge erinnert sich an den großen Ofen, der mit Koks befeuert wurde. Das Jesus-Bild dürfte später mit einem Hitler-Portrait ausgetauscht worden sein.
Rechts:
Kaum zu glauben, dass es einmal an der Appelbreistiege so aussah. Der kleine Weg stand nur Fußgängern und Radfahrern zur Verfügung. Heute befindet sich an dieser Stelle ein Haus.
1940 fanden die ersten Bombenangriffe auf Münster statt, die sich in den weiteren Kriegsjahren erheblich steigerten.
Auf dem Foto besichtigen Bernd Newels und Hans Osterkamp (Bruder und Schwager von Karola Kluge) einen Bombenkrater. Die Einschlagstelle befand sich nahe der Flakkaserne (heute Oxford-Kaserne) an der Roxeler Straße.
Der 10.10.1943 war ein Sonntag, ein herrlicher Herbsttag mit blauem Himmel. Die 13-jährige Karola spielte vor dem Haus, als sie am Himmel einen Fallschirm sah, an dem ein Pilot eines abgeschossenen Flugzeuges hing. Voller Angst stürmte sie ins Haus, um ihren Vater zu holen. Nicht weit von ihnen landete der Pilot. Er hatte sich noch nicht von seinem Fallschirm befreit, als er durch einen Windstoß nochmals in die Luft gehoben wurde. Der Vater beruhigte Karola, sie brauche sich nicht zu fürchten. Von dem Mann ginge keine Gefahr mehr aus, er würde festgenommen und käme in die Kriegsgefangenschaft.
Der Vorgängerbau der St. Michael Kirche stand zuvor an anderer Stelle in Gievenbeck. Es war eine ,Notkirche', die 1936 aus Holz errichtet worden war. Die Kirche überstand den 2. Weltkrieg unbeschadet. Sie wurde abgerissen, und zwar im Zuge des Neubaus der Kirche auf dem Grundstück der alten Volksschule.
Rechts neben der Kirche ist das erste Lebensmittelgeschäft Gievenbecks zu erkennen. Inhaber waren die Eheleute Schulte Herzfeld.
Quellen
Karola Kluge: Fotos, sofern nicht anders angegeben
Text: Henning Stoffers