Liebe Leserin, lieber Leser,

Münsters Standesamt in der Hoersterstraße ist allseits bekannt. Weniger bekannt ist die lange Geschichte des barocken Gebäudes: zunächst Kloster, dann Kaserne, anschließend Wohngebäude, danach Stadtarchiv und heute Standesamt für Trauungen im festlich gediegenen Rahmen. - Das Gebäude hat hat im übrigen mit Johann Conrad Schlaun einen berühmten Baumeister.


Wechselvolle Geschichte rund um das Lotharinger Kloster

Die Anfänge und der Klosterbau

In den unruhigen Zeiten des Dreißigjährigen Krieges mussten die Chorfrauen ihre Heimat in Lothringen verlassen. 1642 kamen sie nach Münster, unterrichteten in einer Schule unentgeltlich Mädchen und junge Frauen und unterstützten Menschen aus der ärmeren Bevölkerung.

Die zum Kasernenteil umgewandelte Lotharinger Klosterkapelle
Die zum Kasernenteil umgewandelte Lotharinger Klosterkapelle

Das Grundstück am Hoerster Tor war bereits im Besitz der Schwestern, als 1764 der Grundstein für einen Neubau nach den Plänen von Johann Conrad Schlaun gelegt wurde. Das Kloster konnte 1768 bezogen werden, die Kapelle wurde 1773 fertiggestellt. Der Innenausbau der Kapelle war zwei Jahre später abgeschlossen. Direkt an der Hoersterstraße lag  die Kapelle, dahinter schloss sich das Klostergebäude an.

 

Die alten Ansicht (um 1905) zeigt am linken Bildrand das Restaurant H. Lange. Heute befindet sich an dieser Stelle der Martinihof. Damals wird die in nächster Nähe gelegene Gaststätte von vielen Soldaten des 13. Infanterie-Regiments besucht worden sein.

Über Ansichtskarten und die Lage an der Hoersterstraße

Für die Hersteller von Ansichtskarte - damals ein neues Medium - waren insbesondere jene Kartenmotive lukrativ, bei denen sie mit vielen Käufern rechnen konnten. Dafür waren zum Beispiel Motive von Stadtansichten, Kirchen, Straßenzügen, Denkmälern oder Kasernen sehr geeignet. - Für die Nachwelt sind auf diese Weise Abbildungen aus vergangener Zeit erhalten geblieben, die heute historisch wertvoll sind.

 

Der nebenstehende Stadtplan von 1864 zeigt die Lage der Gebäude. An der Hoersterstraße - Ecke Lotharinger Straße liegt die Klosterkapelle Direkt dahinter schließt sich das Kloster an. Auf der anderen, rechten Seite der Lotharinger Straße - direkt an der Promenade - entstand ein separater Kasernenbau (siehe nachfolgendes Bild), der zur Lothariner Kaserne gehörte.

Säkularisierung, Bernhard Overberg und andere Nutzung

Die Säkularisierung unter der kurzen französischen Herrschaft führte 1811 zur Aufhebung des Ordens. Die Lotharinger Chorfrauen verließen 1812 ihr Kloster. Ab 1813 ruhte unter der neuen preußischen Regierung dieser Beschluss, um ihn aber 12 Jahre später wieder in Kraft zu setzen. Als neuer Besitzer nutzte der preußische Staat die Klostergebäude nach Umbau bis in das Jahr 1931 als Kaserne. Die Soldaten wohnten zuvor privat in den Häusern der Münsteraner - und dies zu deren großem Leidwesen.

 

Die Bausubstanz des schlaunschen Gebäude änderte sich gravierend. Unter anderem wurden die wenigen Fenster durch eine Vielzahl kleiner Fenster ersetzt.

Antreten auf dem Kasernenhof
Antreten auf dem Kasernenhof
Kasernenansicht Lotharinger Straße
Kasernenansicht Lotharinger Straße

Bernhard Overberg (1754 - 1826), Theologe, Pädagoge und bedeutender Schulreformator (Lehrer der Lehrer) war in den Jahren 1785 bis 1812 Lehrer und Seelsorger des Klosters.

 

1913 konnte die Stadt das Anwesen erwerben, um es für Wohnzwecke zu vermieten.

 

Im 2. Weltkrieg brannten die Klosterbauten - bis auf die nur leicht beschädigte Kapelle - vollständig aus. Wegen der großen Wohnungsnot gab die ehemalige Kapelle bis 1955 weiterhin vielen Menschen Wohnraum.

Der Lotharinger Bunker und die Restaurierung der Klosterkapelle

Bei einem Bombenalarm strömen Menschen in den Lotharinger-Bunker, März 1944 - Foto Stadtarchiv
Bei einem Bombenalarm strömen Menschen in den Lotharinger-Bunker, März 1944 - Foto Stadtarchiv
Flüchtlingsunterkunft in der Lotharinger Kaserne, 1949 - Foto Stadtarchiv Münster
Flüchtlingsunterkunft in der Lotharinger Kaserne, 1949 - Foto Stadtarchiv Münster

An der Lotharinger Straße - in nächster Nähe der Klosterkapelle - lag der Lotharinger Bunker, der 1999 gesprengt wurde. Etwa 800 Menschen konnten während des 2. Weltkrieges Schutz vor den Bomben finden. Heute befindet sich an dieser Stelle die Turnhalle der Turngemeinde.

 

Auch der Bunker wurde nach dem Krieg für Wohnzwecke genutzt. Wie das nebenstehende Bild zeigt, herrschten erbärmliche Zustände.  Auf engstem Raum lebten drei Erwachsene und fünf Kinder. Die Menschen waren froh, ein Dach über dem Kopf zu haben...

 

In den Jahren 1961 bis 1973 erfolgte der Innenausbau und die Rekonstruierung der Außenfassade der Klosterkapelle. Die während der militärischen Nutzung eingelassenen vielen kleinen Fenster wurden nach einem alten Fassadenaufrisses wieder in die ursprüngliche Form gebracht. Für den Innenausbau standen keine Pläne zur Verfügung, so dass die ursprüngliche Ausführung nur erahnt werden konnte.

 

In den Jahren 1978 bis 2003 war das Stadtarchiv dort untergebracht.

Während der Bauarbeiten um 1970
Während der Bauarbeiten um 1970

Das Lotharinger Klosterkapelle wird Standesamt

Lichtbildervortrag und Lesung

250 Jahre sind nach dem Bau der Kloster-Kapelle  vergangen. Das Gebäude steht heute in seiner alten Pracht am angestammten Platz. - Inzwischen wird die Lotharinger Kapelle als Außenstelle des Standesamtes genutzt. Hier geben sich Hochzeits-Paare im geschichtsträchtigen und repräsentativen Barockgebäude ihr Ja-Wort.


Quellen

Abildungen: Sammlung Stoffers (Münsterländische Bank - Stadtarchiv) und Stadtarchiv

Text: Henning Stoffers