Liebe Leserin, lieber Leser,

vor einigen Tagen übergab mir Günther Blanke - wir kennen uns seit Kindesbeinen an - einige Dokumente aus dem alten Münster. Darunter befindet sich eine prachtvolle Speisekarte - etwa um 1930 - des Großen Kiepenkerls, die mit ihrer üppigen Speisenauswahl beindruckend ist. Bernard Zander war der damalige Gastwirt des Traditionsgasthauses. Er gehörte zu Münster Lokalprominenz und war rühriges Mitglied im Männergesangverein und bei Preußens Alten Herren.

 

Über Bernard Zander liegen mir nur wenige Informationen vor. Aber einige Bilder und ein besonderes Foto aus dem Kiepenkerl bieten sich für diese Veröffentlichung an.

 

An Günther Blanke geht mein herzlicher Dank.


Bernard Zander und der Kiepenlerl

Aus der Geschichte des Großen Kiepenkerls

Am Spiekerhof lag die uralte Dombäckerei, auch Herrenbäckerei genannt. Seit dem Jahre 1247 wurden an dieser Stelle Brot gebacken und Bier gebraut. Mit den Abfällen der Brauerei konnten die Kühe gefüttert werden, und die Milch hatte man für die Bäckerei. Damals gehörten Back- und Braugewerbe zusammen.

 

Im 19. Jahrhundert ging es mit der kleinen Brauerei bergab. 1890 kommt der neue Besitzer, der Ascheberger Bäcker, Brauer und Gastwirt Friedrich Dieninghoff, nach Münster. Alle 3 Wochen stellt seine kleine Germania-Brauerei - so heißt sie nunmehr - ein Frischbiersud von 10 Hektolitern her. Dieses feine obergärige Bier war rasch sehr beliebt, so dass die Brauerei und die Gaststätte vergrößert werden mussten.

 

Seine Gaststätte wurde nach dem gegenüber aufgestellten Denkmal benannt, dem Kiepenkerl.

 

1912 holte Friedrich Dieninghoff denjungen Koch Bernard Zander in seine Gaststätte. - Das Gebäude am Spiekerhof war inzwischen für die prosperierende Germania-Brauerei zu klein geworden, so dass Dieninghoff die Produktion an den neuen Standort an Grevener Straße verlagerte. Dies hatte zur Folge, dass Bernard Zander den Kiepenkerl übernhmen konnte.

Bernard Zander

Bernard Zander (Mitte)  am Kiepenkerl um 1930
Bernard Zander (Mitte) am Kiepenkerl um 1930
Bernard Zander (Mitte) - Schützenfest Preußen Alte Herre 1952
Bernard Zander (Mitte) - Schützenfest Preußen Alte Herre 1952

Über Bernard Zander liegen nur wenige biographische Daten vor. Er wurde 1884 in Tirer geboren und war als ausgebildeter Koch in mehreren Städten unterwegs, bevor er zum Kiepenkerl kam. Mit 86 Jahre starb Bernard Zander 1970 in Münster.

 

Einige WN-Zeitungsartikel sind über seine  vielfältigen Aktivitäten zu finden. So schwärmte ein NRW-Wirtschaftsminister bei einem Besuch einer Austellung des Gaststättenverbandes über die herrlichen Schweinshaxen, die er während seiner Studienzeit im Kiepenkerl genießen konnte.

 

Es finden sich weitere Berichte über seine Aktivitäten beim münsterschen Männergesangsverein und beim Gaststättenverband. Ausgebildet von Opernsängern trat er oft als Solist auf.

Bernhard Zander mit seiner Mitarbeiterschaft 1936
Bernhard Zander mit seiner Mitarbeiterschaft 1936

Aus dem Kiepenkerl war ein gastronomischer Großbetrieb geworden. Aus fast 40 Personen bestand die Belegschaft der Gastwirtschaft. 10 Kellner, 5 Köche , 2 Küchenhilfen und eine Kaltmamsell sind auf dem Foto zu erkennen. Der Gastwirt Bernhard Zander und seine Frau sind an dominanter Stelle platziert, daneben sein Chefkoch und sein Oberkellner.

Die Speisekarte um 1930


Die Speisekarte bot etwa 200 Gerichte zur Auswahl. Aber dies ist noch nicht alles. Eine Tageskarte hatte nochmals 50 Speisen im Angebot, so dass der Gast unter 250 Gerichten wählen konnte. Eine spezielle Karte für Geflügel und Wild sowie eine Weinkarte  gab es außerdem. Eine Regina kostete 20 Pfennig, ein Glas Rotwein 40 Pfennig.

Etliche Biersorten warenn im Ausschank. An erster Stelle standen die heimischen Getränke der Germania-Brauerei: Export, Pils, Alt, Malzbier, Märzen, Bock und nicht zu vegessssen die rote Regina Brause. Natürlich durfte kein süddeutsche Bier fehlen: das ,weltberühmte Edelbier' von der Fürstenbergbräu aus Donaueschingen.

Alte Herren Preußen


Es ist das Jahr 1952. Seit sieben Jahren ist der Krieg vorbei, und immer mehr Normalität kehrt in  den Alltag zurück. Im August wird das Schützenfest der Alten Herren von Preußen Münster im Kaffeehaus Güthmann an der Steinfurter Straße gefeiert. Schützenkönig wird Bernard Zander.

 

Auf dem Gruppenfoto haben sich rund 100 Mitglieder - damals  ohne Frauen - in Position gesetzt. Bernard Zander sitzt in der Mitte der ersten Reihe und trägt die Königskette.


In der Rechnung des Kaffeehauses sind die Kosten der Bewirtung akribisch aufgeführt. Es sind insgesamt 291,02 DM, also rund 3 DM für jedes Mitglied. Das Rechnungsformular stammt noch aus der Zeit vor 1945, denn bei genauer Betrachtung des Fotos ist zu erkennen, dass die Hakenkreuze auf den Fahnen mittels Kugelschreiber unkenntlich gemacht worden sind.

Vier gestandene Herren beim Bier - die Wirtschaftswunderjahre werfen bereits ihren Schatten voraus...😊
Vier gestandene Herren beim Bier - die Wirtschaftswunderjahre werfen bereits ihren Schatten voraus...😊

Quellen

Text: Henning Stoffers

Abbildungen: Sammlung Stoffers (Münsterländische Bank - Stadtachriv)