März 2024
wenn Sie die Westfälischen Nachrichten lesen, können Sie sich regelmäßig an den Karikaturen von Arndt Zinkant erfreuen - oder sich vielleicht auch ärgern. Themen der lokalen Politik oder münstersche Ereignisse nimmt er mit spitzem Zeichenstift auf den Kieker. Seine humorvollen Illustrationen sind zum Beispiel auch in Wolfgang Schemanns Masematte-Büchern zu finden.
Ich kenne Arndt seit etlichen Jahren. Bei einer Flasche Wein hat er lebhaft und begeistert aus seinem Leben erzählt. Sein Beruf ist seine Leidenschaft, den er mit Herz und Verstand ausübt. Ein Schuss Humor ist immer dabei.
Es ist das turbulente Jahr 1968, das in die Geschichte eingeht. Ein Jahr der Jugend- und Studentenproteste gegen verkrustete Strukturen und für einen Aufbruch. Attentate auf Rudi Dutschke, Robert Kennedy und Martin Luther King erschüttern die Welt. Es ist das Jahr des ,Prager Frühlings' und der Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrages.
In diesem Jahr wird im stillen westfälischen Hamm ein kleiner Junge geboren: Arndt Zinkant. Der Vater arbeitet als Assistenzarzt am Hammer Krankenhaus, die Mutter ist Pharmazeutin. Später lässt sich der Vater als Landarzt in Fürstenau (Landkreis Osnabrück) nieder. Arndts Mutter ist in der Praxis für Laboruntersuchungen und die Buchführung zuständig.
Fürstenau ist seit vielen Jahren die Heimat der Zinkants. Arndts Großvater ist dort bereits Anfang der 1930er niedergelassener Arzt. Zeitweise praktizieren Großvater und Vater gleichzeitig.
Arndt verlebt seine Kindheit in dem kleinen Ort, kommt nach der Grundschule in die örtliche Gesamtschule, wird konfirmiert und besucht das katholische Internat Leonium im emsländischen Hadrup. Ein Flecken mit weniger als 1.000 Einwohnern.
Nur auf einem richtigen Gymnasium - nicht auf einer Gesamtschule - könne der kleine Arndt eine vernünftige Bildung erlangen, so denken die Eltern. Dass das Leonium katholisch ist, spielt für sie keine Rolle.
Als Arndt gerade das Lesen gelernt hat, wird er süchtig nach Fix und Foxi, und mit dem Älterwerden folgen Mickey Maus, Asterix, Superhelden etc. Jeder Pfennig des Taschengeldes wird in Comics gesteckt und alles wird nachgezeichnet. Dies findet natürlich Anerkennung und Bewunderung bei seinen Lehrern und seinem Umfeld.
Diese Zeit seiner Jugend habe ihn geprägt, sagt Arndt. Er entdeckt früh seine zeichnerische Begabung. Seine Comic-Phase endet abrupt mit 13 Jahren.
Arndt entdeckt anschließend ein ausgeprägtes Faible für Latein und klassische Musik. Er belegt den Leistungskurs Latein und ist begeistert von der klassischen Musik. Geradezu süchtig macht ihn Händels Feuerwerks- und Wassermusik, die er den ganzen Tag über bei jeder Gelegenheit hört. Im Hause der Eltern und Großeltern hat er zudem Zugang auf eine große Schallplattensammlung klassischer Musik, mit der sich Arndt intensiv beschäftigt. So sind Latein, klassische Musik und Literatur - insbesondere Thomas Mann - seine Welt, für die er voller Hingabe lebt.
Nach der Comic-Zeit hat Arndt nie mit dem Zeichnen aufgehört. Als er gefragt wird, ob er für die Abi-Zeitung nicht einmal die Lehrer karikieren könne, entstehen seine ersten Karikaturen. Fotos der Lehrer stehen ihm nicht zur Verfügung. Aus dem Kopf heraus entstehen exzellente kleine Kunstwerke, die großen Anklang finden.
Die Keimzelle für seinen späteren Beruf ist gelegt...
In diesen Jahren des Heranwachsens ist Arndt bereits ein Einzelgänger gewesen. Die ihn kennen, sehen in ihm eine Art Wunderkind. So wie jemand im jugendlichen Alter Geige oder Klavier spielt, den Fußball beherrscht oder sonstige besondere Begabungen in sich trägt.
Arndt Zinkant: ,Die Karikatur "Der Erlkönig" eine meiner liebsten karikierenden Darstellungen, weil ich die Goethe-Symbolik mag und stolz auf die grafische Umsetzung bin. - Übrigens, damals waren die Karikaturen noch schwarz-weiß, da die Zeitung nicht farbig gedruckt wurde.'
Arndt wird nach dem Abitur zur Bundeswehr eingezogen. 1988 kommt er nach Münster und studiert Politik- und Musikwissenschaft sowie Germanistik mit dem Magister-Abschluss. Nebenbei absolviert Arndt mehrere Praktika bei verschiedenen Zeitungen.
1991 lernt Arndt beim Hamburger Abendblatt den dortigen Hauszeichner Karl-Heinz Schoenfeld kennen, der ihm wichtige Tipps und weiterführende Techniken vermittelt, die zum Rüstzeug eines Karikaturisten gehören.
Nebenbei belegt er in Münster im Politikstudium auch Seminare bei Prof. Walther Keim, dem ,Karikaturen-Papst' Deutschlands. Den Spitznamen hat Keim, weil er als Leiter der Pressedokumentation des Bundestags ein riesiges Archiv politischer Karikaturen aufgebaut hat, später dann auch Ausstellungen organisierte und Bücher herausgibt.
Wohin mag der berufliche Weg führen? Vor dieser existentiellen Frage steht Arndt. Die Fühler werden im jounalistischen Umfeld ausgestreckt. Ein mühsames Unterfangen mit Rückschlägen. Zweifel tun sich auf. Ist der Beruf Karikaturist der richtige? Endlich öffnet sich die ersehnte Tür.
Arndt Zinkant: ,Außerdem habe ich mich hin und wieder selbst karikiert - hier die Vorlage für meinen eigenen Karnevalsorden für die Narrenfreunde Hiltrup.'
Für die WN, die damals immer nach Musikkritikern sucht, schreibt Arndt 1997 seinen ersten WN-Artikel. Weitere folgen bis heute. Als dann die Lokalkarikatur im Jahr 2000 eingeführt wird, erfährt Arndt zum Glück davon und bewirbt sich. Erfolgreich.
Seitdem sind weit über 1000 Münster-Karikaturen und unzählige Zeitungsbeiträge entstanden.
Aus seinem Tätigkeitsfeld Von seinem breitgefächerten Betätigungsfeld hat mir Arndt erzählt. Seit etwa 5 Jahren karikiert er auch für die Ibbenbürener Volkszeitung. Buchillustrationen, CD-Cover, Logos, Maskottchen und Wimmelposter sind in seinem Repertoire. Daneben werden für Firmen und Privatkunden Geschenkkarikaturen angefertigt. Auch die allseits beliebten Live-Karikaturen gehören dazu. |
Arndt Zinkant: ,Der recht aktuelle "Milliarden-Bomber" mit Olaf Scholz als Pilot zeigt, wie Münster doch öfters mit der Bundespolitik verbunden ist. Drei der Karis waren in meiner Ausstellung im Sommer in den Arkaden zu sehen.'
Arndt Zinkant: ,Die Karikatur "Aufgebrezelt" über den neuen, schicken Bahnhof war für den Journalistenpreis Münsterland 2018 nominiert. Es freut einen.'
Haben sich neben der klassischen Musik Dir inzwischen auch andere Musikrichtungen erschlossen?
Ja, absolut. Über die Tätigkeit als Rezensent kommt man mit vielem in Berührung, was man sonst nie kennengelernt hätte. Das waren in meinem Fall vor allem Jazzkonzerte - denn für diese wurden von der Redaktion meist besonders dringlich Rezensenten gesucht. Und die legendäre Irish-Folk-Band "Dubliners" habe ich noch im alten Jovel erlebt. Nach diesem einen Konzert war ich Fan.
Außerdem war ich bereits als Kind und Jugendlicher versessen auf Westernfilme - und das lag nicht zuletzt an den genialen Soundtracks wie z.B. "Die glorreichen Sieben". Über die eifrige Soundtrack-Sammelei wurde ich über die Jahrzehnte ein recht versierter Kenner von Filmmusik allgemein.
Angst vor dem Blackout, eine Karikatur nicht rechtzeitig liefern zu können?
Zum Glück kenne ich solche Ängste nicht. Ich habe eine Reihe von Strategien zur Ideenfindung, die ich aber hier nicht verrate. Die verschaffen mir die Sicherheit, dass ich am Ende nicht mit leeren Händen bzw. leerem Blatt dastehe. Auch nicht unter Zeitdruck.
Hattest Du schon einmal daran gedacht, einen Wilsberg-Comic zu machen?
In der Tat spukte mir der Gedanke mal vor vielen Jahren durch den Kopf - und just in dem Moment las ich in den WN, dass das bereits jemand machte: Kollege Jörg Hartmann, den du ja auch kennst. Es dauerte danach noch einige Jahre, bis er das Buch schließlich fertig hatte. Das ist eben ein Berg von Arbeit.
Übrigens spukt mir seit langem noch die Idee eines "Münster-Tatort"-Drehbuchs durch den Kopf. Leider habe ich keine Erfahrung auf diesem Gebiet. Aber es wäre doch einfach klasse, wenn die Münster-Prominenz - natürlich inklusive Prof. Boerne - durch einen respektlosen Karikaturisten bis aufs Blut gereizt würde - bis schließlich ein Mord passiert! Wenn einer der verantwortlichen WDR-Redakteure hier mitliest: Gerne bei mir melden!
Was stört Dich an unserer Stadt?
Es gibt bei uns eine gewisse Selbstzufriedenheit, die manchmal in Selbstbeweihräucherung umschlägt. Eigentlich kein Wunder, denn wir sind definitiv eine "Insel der Seligen" und mit Preisen behangen, sogar als "lebenswerteste Stadt der Welt"! Da sollte dann ruhig jemand regelmäßig mit der Spottfeder in den Heißluftballon reinstechen. Und das Schicksal hat zufällig mir diese Aufgabe zugeteilt.
Ein Lieblingslokal?
Da mag ich so einige - aber ganz besonders den "Kleinen Kiepenkerl". Da stimmen nicht nur die Küche und die Atmosphäre, es gibt dort auch eine "Karikaturen-Ecke", wo Bilder meines verehrten Kollegen und Freundes Rudolf Schöpper quasi den halben Tisch umrahmen. Leider ist er schon lange verstorben. Diesen Tisch versuche ich dort stets zu reservieren.
Bekommst Du Rückmeldungen in Form von Lob und Tadel der Leserschaft oder des Auftraggebers?
Wenn dem verantwortlichen Redakteur meine Skizze gefällt, kommt durchaus mal ein ermunterndes "Super!" o.Ä. per Mail zurück. Leserbriefschreiber melden sich in der Regel nur, wenn sie ihrem Ärger Luft machen wollen, das ist bei Artikeln genauso wie bei Karikaturen. Für Lob und Fan-Bindung gibt es heutzutage zum Glück noch Facebook.
Neben den WN-Karikaturen hast Du weitere Aktivitäten?
Ich zeichne seit etwa fünf Jahren auch die Lokalkarikatur für die Ibbenbürener Volkszeitung. Daneben nehme ich alle möglichen Aufträge an: Buchillustrationen, CD-Cover, Posterdrucke, Logos und Maskottchen. Auch Live-Karikieren bei Events oder Ausstellungen kam in den letzten Jahren immer mehr vor.
Warum bist Du Karnevalist geworden?
Ein "richtiger" Karnevalist bin ich wohl noch nicht geworden, sondern quasi Azubi. Die "Narrenfreunde Hiltrup" hatten mich in der Session 22/23 als ihren Ordensträger ausgewählt bzw. geehrt. Seitdem bin ich beim kleinsten, aber feinsten Karnevalsverein Münsters auch der Ordenszeichner.
Eine Deiner kreativen Spezialitäten sind ,Wimmelbilder' in Postergröße. Erzählt jede der einzelnen Abbildungen eine kleine Geschichte mit Münster-Bezug?
Die Wimmelbilder selbst haben natürlich einen Münster-Bezug durch die Orte, die abgebildet sind. Auf dem beliebtesten Motiv, dem "Prinzipalmarkt-Poster", sind etliche Münster-Promis versteckt. Normalerweise geht es aber nur um kleine witzige Details im Gewimmel.
Wie alt ist die Geschichte der Karikatur?
Kommt darauf an, wie man den Begriff eingrenzt. Wikipedia behauptet: "Die ersten Karikaturen soll es bereits in der Antike gegeben haben. Auf altägyptischen Papyri, griechischen Vasen oder als römische Wandmalerei fanden sich vereinzelt karikaturähnliche Darstellungen."
Mit Sicherheit gab es die erste große Blütezeit des Genres im 19. Jahrhundert. Vielleicht waren Karikaturen später nie mehr so gut wie zu dieser Zeit. Auch unser großer Ur-Vater Wilhelm Busch begann in den 1860er Jahren.
Entwickelt sich die Karikatur weiter?
Es sieht leider derzeit nicht so aus. Schon bevor das internationale Zeitungssterben begann, setzte das "Sterben" der Karikatur ein: Immer mehr Zeitungen verzichteten ganz auf die Satirezeichnung - anfangs nur aus Geiz, später mehr aus Vorsicht. Denn die Empfindlichkeit in der (westlichen) Gesellschaft ist so groß geworden, dass sogar die New York Times seit einigen Jahren keine Karikaturen mehr druckt.
Arndt Zinkant zu den Karikaturen ,Handruper Rundschau' und ,Lateinlehrer': Auf dem Cover der "Handruper Rundsau" (Gymnasium Leoninum Handrup) ist ein "genervter, zerzauster Redakteur" zu sehen, das war der Wunsch der Mitschüler damals. Im Innenteil hatte ich einige Lehrer karikiert - hier als Beispiel mein Lateinlehrer mit Lorbeerkranz wie Julius Cäsar. Wie man sieht, sieht das eigentlich nicht schlechter aus als heute....' |
Existiert ein Olymp für Karikaturisten?
Es gibt diverse Wettbewerbe, nationale wie internationale. Hin und wieder habe ich mal was eingeschickt, aber keinen Preis gewonnen. Als Lokalkarikaturist hat man natürlich auch nicht so viel in der Schublade, was eine Jury beeindrucken könnte.
Gibt es Karikaturistinnen, oder ist der Beruf eine reine Männerdomäne?
Eine "reine" Männerdomäne ist es nicht - aber Frauen sind auf dem Feld der politischen Karikatur doch die Ausnahme. Zeichnerisch begabte Frauen orientieren sich eher in Richtung freie Kunst oder Kinderbuch-Illustration.
Kann man auch eine persönliche Karikatur erwerben?
Gut, dass Du fragst! Zu meinem Portfolio gehört schon immer die Geschenk-Karikatur für Geburtstage, Hochzeiten und so weiter. Viele Leute suchen ein persönliches, einmaliges Geschenk. Ich karikiere die Köpfe dann nach Fotos, und das funktioniert wunderbar. Anruf oder Mail genügt.
Arndt ist Junggeselle - zum Teil aus Überzeugung, zum Teil aus Zufall... vielleicht weil sich die Gelegenheit nicht ergab.
Er ist ein liebenswerter, unkomplizierter Einzelgänger mit einer gehörigen Portion Humor. So hat ihn auch sein Weg zu den Hiltruper Karnevalisten geführt, denen er sich mit Freude angeschlossen hat.
Arndt mag auch Bilder von Anderen. Dieses Bild von Gilla Stoffers suchte er sich aus, unter anderem weil Blau seine Lieblingsfarbe ist.
Einige wenige Freunde gehören zu seinem Leben. Die Zahl ist nicht inflationär, muss es nicht sein und ist auch für ihn nicht wichtig.
Zusammen mit Peter Sauer - Arndts bester Freund und Urgestein des münsterschen Journalismus - treffen wir uns hin und wieder im kleinen Kreis. Es gibt immer viel zu erzählen, was sich in Münster tut. So manch lustige Dönekes weiß jeder zu berichten.
Quellen
Text: Henning Stoffers
Abbildungen, soweit nicht anders bezeichnet: Arndt Zinkant