Liebe Leserin, lieber Leser,

Katholikentage haben in Münster eine lange, gute Tradition. In dieser Stadt waren sie mehrfach zu Gast, und es waren stets bedeutende Ereignisse. Dieser Rückblick handelt von dem Katholikentag aus dem Jahre 1930 und von dem für 1914 geplanten, der wegen Kriegsbeginns ausfallen musste. Am Schluss folgt ein Vergleich der Abschlussgottesdienste 1930 und 2018.

 

Mein vor einigen Jahren verfasster Beitrag über münstersche Katolikentage ist inzwischen überarbeitet und um einem Vergleich zum Kirchentag von 2018 erweitert worden. Die neue Fassung finden Sie hier. Der Aufsatz wurde neben anderen Beiträgen auch in dem Buch ,Großgottesdienste als Thema der Liturgiewissenschaft', erschienen bei Aschendorff 2021, veröffentlicht.


Ein Blick in die Geschichte der Katholikentage in Münster

Aus der Geschichte der Katholikentage

Ursprünglich waren Katholikentage jährliche Zusammenkünfte römisch-katholischer Vereine, zu denen Delegierte und Priester entsandt wurden, die nur ausnahmsweise und in Kriegsjahren ausgesetzt wurden. Die erste Veranstaltung fand 1848 in Mainz statt. Die „Generalversammlungen der deutschen Katholiken“, so wurden sie früher genannt, fanden auch außerhalb Deutschlands statt, zum Beispiel in Prag und in Salzburg.

 

Die Teilnehmerzahlen stiegen im Laufe der Jahre stark an. Waren es anfangs um die 200 bis 300 Besucher, konnten später 100.000 bis 200.000 und mehr Gäste gezählt werden.

 

Neben den Gottesdiensten waren die Abschlusskundgebungen besonders wichtig: Die ideelle Geschlossenheit verstärkte sich durch Präsenz und Festzüge der einbezogenen Traditionsvereine (zum Beispiel Sänger-, Schützenvereine), teils mit Uniformen und Fahnen. Aus den ursprünglich überschaubaren Veranstaltungen wurden Großereignisse, die auch für die örtliche Wirtschaft der Gastgeberstädte bedeutsam waren. – Am Eröffnungsgottesdienst 1926 in Breslau nahmen 26.000 Menschen teil, an der Schlusskundgebung 1927 in Dortmund 120.000, im folgenden Jahr in Essen 250.000

 

Bedeutsam waren die Katholikentage aber insbesondere wegen ihrer Impulse, die von ihnen ausgingen. In Diskussionen zu aktuellen gesellschaftlichen, kirchlichen, kulturellen und politischen Themen tauschten sich Vertreter der Kirchen, der Politik, der Wissenschaft und der Bevölkerung aus. Die Veranstaltungen waren für die Teilnehmer auch Orte der Gemeinsamkeit, der Spiritualität, der Aufgehobenheit und des emotionalen Erlebens im christlichen Glauben.

Münster war in den Jahren 1852, 1885, 1930 und 2018 Gastgeber. Die in Münster geplante Generalversammlung 1914 fiel wegen Beginn des Ersten Weltkrieges aus.

Die ausgefallene Generalversammlung in Münster 1914

Für die Zeit vom 9. bis 13. August 1914 war die 61. Generalversammlung in Münster geplant. Alle Vorbereitungen unter der Leitung von Bischof Johannes Poggenburg waren getroffen worden.

Das Organisatorische hatte man bis ins i-Tüpfelchen ausgearbeitet. Auf dem Neuplatz (heute Schlossplatz) stand bereits eine große Festhalle für tausende Menschen, in der auch die zentralen Gottesdienste stattfinden sollten. Hohe Kosten hierfür und für die Ausschmückung der Stadt waren bereits angefallen. Ein neuer Stadtführer mit außergewöhnlich viel Werbung für die Festtagsbesucher lag gedruckt vor. Die Kaufleute versprachen sich beste Umsätze durch die vielen Besucher und hatten entsprechend vorgesorgt.

 

Aber alle Anstrengungen für eine erfolgreiche Veranstaltung waren vergeblich, denn am 1. August 1914 brach der Erste Weltkrieg aus.

Die Generalversammlung in Münster 1930

Im Jahr 1930 stand die 69. Generalversammlung der Katholiken an. Mit der Wahl des Veranstaltungsortes Münster ging für Bischof Johannes Poggenburg ein langgehegter Wunsch in Erfüllung. Nach der im Jahre 1914 abgesagten Veranstaltung konnte im zweiten Anlauf als neuer Termin die Zeit vom 4. bis 8. September1930 festgelegt werden.

Deutschland im Jahre 1930

Es waren politisch aufgeheizte, unruhige Zeiten: Die Weimarer Republik stand in der Weltwirtschaftskrise unter großem Druck. Reichskanzler Heinrich Brüning verordnete rigorose Einsparungen. Steuern und Abgaben wurden erhöht, Gehälter öffentlich Bediensteter massiv gekürzt. Es herrschte eine hohe Arbeitslosigkeit von mehr als 25 %.

 

Die äußerst angespannte politische und wirtschaftliche Situation hatte Einfluss auf den Katholikentag von 1930, was sich in einigen Beiträgen auch zeigte. Die politischen Lager standen sich ideologisch konträr gegenüber. Zudem fand der Katholikentag eine Woche vor den Reichstagswahlen statt, also in der heißen Phase des Wahlkampfes. Mit einem enorm gestiegenen Stimmenanteil (Steigerung von 3 % um mehr als 15 % auf rund 18 %) gingen die Nationalsozialisten gestärkt aus der Wahl hervor.

Münster im Jahre 1930

Münster hatte in jenem Jahr rund 120.000 Einwohner. Es gab 93.000 Katholiken, 23.000 evangelische Christen und etwas mehr als 500 Mitbürger jüdischen Glaubens. Die Stadtbevölkerung war überwiegend katholisch und konservativ geprägt.

 

Den Nationalsozialisten stand man anfangs skeptisch gegenüber, aber dies sollte sich in den Folgejahren ändern; allerdings nicht in ganz so enger Gefolgschaft, wie die spätere Naziregierung es erwartete.

 

Als Provinzialhauptstadt Westfalens hatte die Stadt eine herausragende Bedeutung. Wichtige Verwaltungsbehörden waren hier angesiedelt. Um nur einige zu nennen: Oberpräsidium der Provinz Westfalen, die Oberpostdirektion, die Reichsbahndirektion, die Landwirtschaftskammer für die Provinz Westfalen, das Evangelische Konsistorium für die Provinz Westfalen, das Wehrkreiskommando. Dann gab es die Universität, eine Polizeischule und etliche Kasernen. Seit mehr als 1100 Jahren ist die Stadt zudem mit ihrem Bischöflichen Stuhl religiöser Mittelpunkt der Diözese Münster

 

1930 standen drei Großveranstaltungen in der Stadt an: der Verbandstag der Feuerwehren; der internationale Großflugtag mit Freiballonwettfahrt und Landung des Zeppelins mit 100.000 Besuchern; schließlich der Katholikentag.

 

Landung des Zeppeling 1930 auf der Loddenheide
Landung des Zeppeling 1930 auf der Loddenheide

Der neue Bahnhof – größer dimensioniert als der Vorgängerbau – stand kurz vor der Fertigstellung. Am Sonntag des Katholikentags, dem 7. September, bestand der Neubau bravourös mit mehr als 113.000 Besuchern seine erste Bewährungsprobe. Die Reichsbahn setzte allein an diesem Tage 98 Sonderzüge ein.

 

Vor diesem Hintergrund ist die Organisationsleistung und Gastfreundschaft der münsterschen Bevölkerung für den Katholikentag bemerkenswert.

Bischof Johannes Poggenburg

Links: Apostolische Nuntius Cesare Orsenigo , daneben Bischof Johannes Poggenburg
Links: Apostolische Nuntius Cesare Orsenigo , daneben Bischof Johannes Poggenburg

Für Bischof Johannes Poggenburg kann dieser Katholikentag als Höhepunkt seines Lebenswerkes bezeichnet werden. Die Fotografien zusammen mit dem Apostolischen Nuntius Cesare Orsenigo zeigen ihn voller Freude, Stolz und Genugtuung, Gastgeber der Veranstaltung zu sein.

 

Auch eine andere wichtige Weichenstellung ist Bischof Poggenburg in dieser Zeit zuzuschreiben: Ein Jahr vor dem Katholikentag setzte er Clemens August Graf Galen als Pfarrer von St. Lamberti – Münsters Marktkirche – ein. Es war eine politisch motivierte Entscheidung, um dem zunehmenden Einfluss des Nationalsozialismus entgegenzuwirken und um die katholische Grundgesinnung zu bewahren.

Die Vorbereitungen

Unter der Leitung von Bischof Poggenburg gründete sich am 9. März 1930 das Lokalkomitee, das etliche Unterkomitees für die weiteren Vorbereitungen beauftragte. Voraus ging ein Pontifikalamt mit dem gesamten Domklerus: „Heißes Flehen ging zu Gott, dass er die Vorbereitungen […] mit seinem Segen begleiten möge.“

 

Nur ein halbes Jahr betrug die Zeit, um die notwendigen Vorbereitungen zu treffen. Ein schier fast unüberwindbarer Berg inhaltlicher und logistischer Aufgaben musste erledigt werden, die vielleicht mit denen für den Kaiserbesuch im Jahre 1907 vergleichbar waren. Computer, die eine Menge Arbeit hätten abnehmen können, gab es noch nicht. So gehörten unzählige Sitzungen, Protokolle und Sachstandsfeststellungen zur Tagesordnung.

Die Unterkomitees hatten ein Ehrenpräsidium, ein Lokalpräsidium, eine Redner-, Presse-, Altar-, Finanz-, Ordnungs- und Festkommission und eine Vielzahl weiterer Organisationsabteilungen. Alles was in Münster Rang und Namen hatte - an die 500 Männer und Frauen werden es gewesen sein - war in diesen Komitees vertreten, ... ähnlich wie beim Besuch des Kaisers vor 23 Jahren.

 

Vielfältige Aufgaben waren zu regeln. Einige Beispiele: Ein detailliertes Festprogramm mit Zeit- und Ortsangaben musste erstellt werden. Eingerichtet wurde ein Sonderpostamt. Die öffentliche Ordnung und Sicherheit waren zu gewährleisten. Für die Pressearbeit waren entsprechende Arbeitsmittel bereitzustellen. Für Verpflegungsmöglichen oder die Bereitstellung von Toiletten mussten Lösungen gefunden werden. Es gab Aufrufe an die Bevölkerung, Schlafgelegenheiten für die Besucher bereitzustellen. Die Kapazitäten der An- und Abreise zehntausender Besucher per Reichsbahn und Straßenbahn waren zu bedenken.

 

Natürlich mussten auch ausreichende Tagungsräumlichkeiten gefunden werden, und die waren für den zu erwartenden Besucherandrang knapp bemessen. Man behalf sich. Sogar das Autohaus Kiffe – nahe der Halle Münsterland gelegen – stellte seine Auto-Ausstellungsfläche zur Verfügung. Mehr als 80 Veranstaltungen wies das Mammutprogramm auf. Und viel Prominenz aus dem In- und Ausland wurde erwartet.

Die Gäste

Die Liste der hochrangigen Persönlichkeiten des öffentlichen und des kirchlichen Lebens, Präsidenten, Ministerialen und Professoren war lang. Hier ein kleiner Auszug: Reichskanzler Heinrich Brüning, Reichskanzler a.D. Wilhelm Marx, Zentrumsabgeordnete Helene Weber, der Apostolische Nuntius Cesare Orsenigo und der Münchener Kardinal Michael von Faulhaber. Papst Pius XI. schickte eine Grußadresse mit seinem apostolischen Segen.

Motto und Ablauf

Der Kirchentag stand unter dem - auch heute noch aktuellen - Leitwort des Hl. Augustinus:

„Siegen kann nur die Wahrheit, der Sieg der Wahrheit aber ist die Liebe.“

 

Die Generalversammlung begann mit einem „Vorprogramm“ bereits am 2.9. mit der Sitzung des Zentralkomitees der Katholiken im Hotel Fürstenhof. Bischof Poggenburg: „Alle Katholiken, die sich in Münster, der Hauptstadt Westfalens, zur 69. Generalversammlung der Katholiken in Deutschland einfinden werden, entbiete ich als Bischof der Stadt und Diözese Münster herzlichen Willkommensgruß.“ Am folgenden Tag fand der „Vertretertag“ mit zehn Arbeitsgruppen statt. In Gruppen wurde mit Schwerpunkt über Erziehung, Schulen, Jugendverbände, Kultur etc. diskutiert.

 

Es gab Festansprachen, man traf sich im Civilclub zum geselligen Beisammensein, Pontifikalämter und Festgottesdienste wurden gehalten. Das Stadttheater führte ein Mysterienspiel auf.

Der Abschluss des Katholikentages

Der Höhepunkt war am Sonntag, den 7. September. An die 130.000 Teilnehmer waren an diesem Tage nach Münster gekommen. Die Stadt zeigte sich mit Fahnen und Girlanden im Festschmuck. Um 10 Uhr fand auf dem Hindenburgplatz (heute Schlossplatz) ein Festgottesdienst statt. Ein Chor mit bis zu 2.500 gemischten Stimmen trat auf.

Auf dem Schlossplatz, rechts Clemens-August Graf von Galen
Auf dem Schlossplatz, rechts Clemens-August Graf von Galen

Zehntausende Menschen drängten sich dicht vor dem auf einer Bühne erhöht aufgebauten Großaltar am Schloss. „In riesen großen Buchstaben leuchtete vor dem Altartisch das Zeichen, in dem sich alle versammeln sollten: PAX Christi! Den Aufbau krönte ein tragendes Kreuz auf einer Kugel, jenes Kreuz, in dem die Welt erlöst ist.“ Der hintere Teil der Altarbühne schützte seine Besucher – es waren Kardinäle, Bischöfe und andere hochrangige Personen – durch eine baldachinartige Zeltüberdachung. Seitlich am Altar standen fahnengeschmückte Abordnungen kirchlicher Vereinigungen, Schützenvereine, Gesangvereine und sonstiger Gruppen. Mittig davor hatten im Halbkreis Priester und Mönche vor dem Großaltar ihren Platz. Seitlich waren Stuhlreihen für Vertreter der Stadt der Behörden aufgestellt. Riesige, ca. 3-4 Meter große Lautsprecher über den Köpfen der Menschen beschallten den ganzen Platz. Und der Schlussgottesdienst wurde im Radio übertragen, was eine Premiere für einen Katholikentag in diesem Medium war! Bei dieser Gelegenheit wurde Bischof Johannes Poggenburg mit der Ernennung zum Titularerzbischof von Nicopsis geehrt.

 

Daneben gab es weitere Veranstaltungen an diesem Tag: eine Arbeiter- und Männerversammlung in der Halle Münsterland, eine Kundgebung der katholischen Jugend auf dem Hindenburgplatz und eine literarische Feier im Rathaussaal. Danach gab es noch kleinere Versammlungen und eine Festaufführung des Stadttheaters mit dem Titel „Das große Welttheater“. Um 16 Uhr fand die Schlussveranstaltung auf dem Schlossplatz statt. Münsters Männerchorbund sorgte für die musikalische Begleitung. Kardinal Faulhaber sprach über „Unsere Kirche und unser Volk in unserer Zeit“. Nach einer Ansprache von Bischof Poggenburg endete die Kundgebung mit dem Choral „Großer Gott, wir loben Dich.“ Am darauffolgenden Montag führte eine Dankwallfahrt nach Telgte zum Gnadenbild der Schmerzhaften Mutter, an der auch der Apostolische Nuntius teilnahm.

 

Bei aller äußerer Harmonie brummelte es hinter den Fassaden unüberhörbar. Die wirtschaftliche und politische Krise Deutschlands spiegelte sich in den kontroversen Diskussionen der Teilnehmer wider. Man sprach sich letztlich gegen die Diskriminierung von Rassen und gegen Klassenhass aus; kritisierte aber auch das Formale der vorherrschenden Demokratie. Aber all dies sollte zwei Jahre später unbedeutend sein und der Vergangenheit angehören.

 

Der Katholikentag hatte einen erfolgreichen Abschluss gefunden. Die Veranstalter waren mit ihrem persönlichen Einsatz an die Grenzen der Leistungsfähigkeit gegangen. Sie hatten eine Veranstaltung organisiert, die als herausragendes Ereignis weit über Münsters Grenzen anerkennend zur Kenntnis genommen wurde.

Die Zeit danach

Aufbahrung om Dom - Bischof Johannes Poggenburg
Aufbahrung om Dom - Bischof Johannes Poggenburg

 Mit seinen inhaltlichen Aussagen kann das glanzvolle Ereignis des Katholikentages jedoch keine nennenswerte äußere Strahlkraft verzeichnen, die hätte erwartet werden können. In dieser spannungsgeladenen Zeit beherrschte zu sehr die politische Zerrissenheit das Land, um die Impulse eines Kirchentages aufzunehmen. Nach extremer Inflation und in einer Zeit hoher Arbeitslosigkeit war am Horizont das Wetterleuchten der kommenden Herrschaft der Nazis zu erahnen.

 

Der volksnahe und beliebte Bischof Johannes Poggenburg starb am 5. Januar 1933 im 71. Lebensjahr – wenige Tag vor der Machtergreifung Hitlers. Neuer Bischof von Münster wurde Clemens August Graf Galen.

Ein vergleichendes Schlusswort

Bei einem Vergleich der Großgottesdienste der Katholikentage in Münster sind verschiedene Punkte zu benennen:

 Die auffälligste Gemeinsamkeit ist die Wahl und Ausrichtung des Platzes. 1930 wie auch 2018 wurden die Gottesdienste unter freiem Himmel auf dem Platz vor dem Schloss gefeiert, wobei die Bühne mit dem Altar vor dem Schloss stand und den Abschluss des gottesdienstlichen Raumes bildete. Gleichwohl ist die Bühne unterschiedlich gestaltet: Massiv wirkt die Bühne mit dem direkt am vorderen Rand positionierten, gut sichtbaren Altar 1930 und der baldachinartige Bühnenaufbau, recht zurückhaltend im Vergleich der weitestgehend ungeschmückte Altar 2018 unter dem transparenten Dach vor dem Logo des Katholikentags. Dennoch führte die Bühnenanordnung von 1930 dazu, dass der Zelebrant im römischen Ritus mit Blickrichtung zum Volk die Hl. Messe feierte. Während die Bühne 1930 im hinteren Teil auch die Sitzplätze der geistlichen Würdenträger barg.

Domkapitular Surmann  beim Kuss des Bischofsrings
Domkapitular Surmann beim Kuss des Bischofsrings

Dies ist umso bemerkenswerter, da der nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wiedereingeführte Ambo als eigener Ort der Wort-Gottes-Verkündigung nicht – wie erwartbar – auf der Bühne, sondern auf der Mittelachse in der Mitte der Feiernden positioniert wurde. Die Mitfeiernden waren zwar dennoch, wie 1930, größtenteils in Richtung des Schlosses, d.h. der Bühne und vor allem der Leinwände ausgerichtet, jedoch wurde der Platz in seiner Länge mehr genutzt. Die Anzahl der Anwesenden lag 1930 um einiges höher, wie auch aus den Fotos hervorgeht. Dies lag sicherlich unter anderem daran, dass diese Messfeier nicht den Schlusspunkt des Katholikentags bildete, sondern vielmehr den Auftakt zu einem intensiven, bis zur nachmittäglichen Abschlusskundgebung mit viel Programm gefüllten Sonntags darstellte.

 

Die Mitwirkung von Chören an der musikalischen Gestaltung ist bei beiden Gottesdiensten als sinnvoll und wichtig erachtet worden.

Beim Blick auf die Bilder ist auch deutlich festzuhalten, dass die heutige Form der Repräsentation der kirchlichen Würdenträger im positiven Sinne deutlich zurückhaltender und schlichter geworden ist und das Verhältnis zwischen Episkopat und den übrigen Gläubigen wird anders inszeniert: Die Sitzplätze aller Bischöfe und politischen Würdenträger hatten ihren Ort inmitten aller Mitfeiernden in Nähe des Ambos. Eigene Plätze für Priester und Ordensleute gab es nicht. Auch ist zu beobachten, dass zum Beispiel der Kuss des Bischofrings und eine sechs Meter lange Schleppe („cappa magna“) eines Kardinals nicht mehr üblich sind. Als nach der Abschlussveranstaltung des Katholikentags 2018 Kardinal Reinhard Marx im Festzug den münsterschen Schlossplatz verließ, ging er auf die am Rande stehenden Zuschauer zu. Darunter waren Menschen mit Behinderung, die er herzlich grüßte und segnete. Mit mehr Zuwendung zum Menschen und mit mehr Schlichtheit im Auftritt zeigt sich seit dem Katholikentag von 1930 ein deutlicher Wandel.

 

Mit Blick auf die Bannerabordnungen, die auch 2018 einzogen und teilnahmen. lässt sich zwar im Vergleich zu 1930 eine deutliche Reduzierung feststellen, aber als Element, das bei beiden Gottesdiensten zu finden ist und die Anwesenheit vieler verschiedener, vor allem von Laien getragenen katholischer Verbände und Gruppierungen wahrnehmbar macht, verdient es besondere Erwähnung.

Fazit

Die vorliegenden Informationen über den Abschlussgottesdienst des Katholikentags 1930 zeichnen das Bild einer sehr gut besuchten Messe auf dem gefüllten Platz vor dem Schloss, die den Auftakt zu einem intensiven Tag bildete. Die technischen Möglichkeiten der damaligen Zeit wurden genutzt, das liturgische Geschehen sowohl auf dem Platz als auch über den Rundfunk möglichst gut mitverfolgbar zu machen. Auch die Bühne und die Positionierung des Altars scheinen diesem Zweck gedient zu haben, sodass davon gesprochen werden kann, dass die damaligen liturgischen Vorgaben und Gepflogenheiten im Rahmen des Machbaren den besonderen Umständen angepasst wurden.


Verwendete Quellen

Das schöne Münster. 1930 Heft 17.

69. Generalversammlung d. Katholiken Deutschlands zu Münster in Westfalen vom 4.-8. Sept. 1930. Verlag: Münster Aschendorff, 1930.

Festblatt zur 69. Generalversammlung der Katholiken Deutschlands. Vom 4.-8. September 1930 in Münster, Münster i.W., Donnerstag den 4. September 1930, Nr. 1.