im Mai 2024

Liebe Leserin, lieber Leser,

bei einer Veranstaltung im Schlosstheater sprach mich Dr. Werner Rumphorst an. Er hätte über die die Namensgebung des Stadtteils Rumphorst geschrieben. Die Geschichte ist so interessant, dass ich sie gern auf dieser Seite veröffentliche.

 

Ich danke Dr. Rumphorst für seinen Beitrag zu Münsters Stadtgeschichte.


Rumphorst

Rumphorst – was hat es mit diesem Namen auf sich?

Rumphorst – Immerhin ein eher ungewöhnlicher Name für einen ganzen Stadtteil, welcher jedoch sicher nicht rein zufällig gewählt wurde.

Da gibt es natürlich den bekannten und als Wohnadresse heute sehr begehrten Rumphorstweg. Dieser Straßenname allein hätte jedoch als Namenspate nicht ausgereicht. Aber am Ende des Rumphorstwegs, stadtauswärts, befindet sich das „Haus Rumphorst“, ein denkmalgeschützter ehemaliger Bauernhof, welcher um die Jahrtausendwende mit viel Liebe und entsprechend großzügig renoviert worden ist. Dieses Juwel hätte es sicherlich verdient, wenn der gesamte Stadtteil nach ihm benannt worden wäre. Allein, als der Stadtteil Mitte der 1970er Jahre diesen Namen erhielt, da war das später auf den Namen „Haus Rumphorst“ getaufte Haus noch eine einsturzgefährdete Ruine, welche älteren Mitbürgern als das „Haus Juckweg“ (oder auch „Jockweg“)in Erinnerung war. Ein Bauernhof, auf dem sich zusätzlich noch eine beliebte Kaffeewirtschaft befand, welche jedoch vermutlich um die 80er Jahredes 19. Jahrhunderts den Betrieb einstellte. Somit scheidet jedenfalls das jetzige „Haus Rumphorst“ eindeutig als Namensgeber für das Viertel aus.

 

Ältere Mitbürger erinnern sich allerdings auch noch an eine zweite Kaffeewirtschaft, welche sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Hauses Juckweg befand. Auch diese war an einen Bauernhof angegliedert, welcher übrigens zusammen mit dem Hof Juckweg einen sogenannten Doppelhof bildete. Und genau diese Kaffeewirtschaft, die noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts inBetrieb war, bevor das Gebäude dann Mitte der 1960er Jahre abgerissen wurde, um einem (allerdings nie realisierten) Hotelneubau Platz zu machen: genau diese Kaffeewirtschaft war die unter Münsteranern ebenso bekannte wie beliebte „Kaffeewirtschaft Rumphorst“. Diese war also die Namensgeberin für den zu ihr hinführenden Weg, den heutigen Rumphorstweg, und Mitte der 1970er Jahre dann auch für den gesamten Stadtteil.

Eine 1903 datierte eigene Postkarte der Kaffeewirtschaft Rumphorst zeigt den Bauernhof und davor eine große Gartenanlage, in welcher zahlreiche Gäste Platz gefunden haben, welche sich vermutlich an Kaffee und Kuchen, Pfannkuchen oder Stippmilch laben, vielleicht aber auch an Wein oder Bier. Eine Anzeige im Westfälischen Merkur von 1914 lässt dasjedenfalls vermuten. Auf der linkenSeite des Bildes, im Hintergrund, ist übrigens der Hof Juckweg zu erkennen (das heutige „Haus Rumphorst“).

Die Bekanntheit und große Beliebtheit der Kaffeewirtschaft Rumphorst lässt sich nicht zuletzt auch durch zwei zeitgenössische plattdeutsche Kommentare belegen. Einer davon, eher ein wenig spöttisch, wird dem legendären Professor Hermann Landois zugeschrieben:
„Hütigendags laupt de fienen Lüde in'n Schloßgoaren un de Büörgers nao Rumphorst un'n Maikuotten. De Damenstricket bi't Frie-Konzert in'n Schloßgoaren Strümpe un verdeint den Kaffee under Tied met Stricken un Reihen un bekieket giegensietig üöre Pludden. De Büörgers laupt noa de Buuren, üm 'Pännken fett' te spielen, un verloddert üör Geschäft.“

(zitiert in Kerstin Ullrichs lesenswertem Buch 'Im Land der Großen Kaffeekannen', Aschendorfverlag 1992, S. 8).


In demselben Buch (S. 14) findet sich auch der zweite Kommentar, allerdings ohne  Angabe des Autors:
Nao Rumphorst treckt so viele Damen,
Am Alldag, wat sick Klübken hett,
De kennt de Lüde all' bi Namen;
Häfft de sick erst recht faste sett`t,
Dann wiett't se üöver jeden wat,
Dat Witte makt se grön un schwatt,
Stippmiälke giw et daotom Schluss,
En Hochgenuß.

Wie es zum Namen der Kaffeewirtschaft kam

Bleibt also nun bloß noch zu klären, wie diese Kaffeewirtschaft selbst denn zu ihrem Namen „Rumphorst“ gekommen ist.


Dr. Werner Rumphorst, ein direkter Nachfahre des Gründers dieser Kaffeewirtschaft, hat dazu eine spannende Geschichte zu erzählen, welche eng mit dem Namen Napoleon zusammenhängt:
„Mein Urgroßvater Johan Heinrich Rumphorst (1795-1877) stammte aus Telgte, wo es heute noch die Höfe 'Große Rumphorst' und 'Lütke Rumphorst' gibt. 1812, also mit erst 17 Jahren, nahm er als Soldat an Napoleons Russlandfeldzug teil. Das Debakel dieses Feldzuges ist hinreichend bekannt, nicht zuletzt auch wegen des überaus tragischen Endes bei dem Überqueren der Beresina, einem breiten Fluss im heutigenWeißrussland. Napoleons Armee befand sich auf der Flucht, verfolgt von russischen Einheiten. Es war Ende November, es lag bereits Schnee. Hier nur so viel: Von den ursprünglich ca. 400.000 Soldaten der Grande Armée waren zu diesem Zeitpunkt lediglich nochca. 65.000 am Leben, und schätzungsweise nur 40.000 von diesen gelang es am Ende, die Beresina lebend zu überqueren. Eine unglaubliche menschliche Tragödie.

 

Einer von diesen wenigen Glücklichen war der junge Johan Heinrich. Interessanter ist aber in diesem Zusammenhang noch, dass er laut unserer mündlich überlieferten Familiengeschichte einem gewissen von und zurMühlen (Vorname leider unbekannt) beim Überqueren der Beresina entscheidend behilflich war, ja ihm vermutlich sogar das Leben gerettet hat. AlsDank dafür versprach ihm der von und zurMühlen, dass er ihm einen seiner Familie gehörenden Bauernhof zur Pacht überlassen würde, sofern sie beide jemals ihre westfälische Heimat wiedersehen sollten.

Sammlung Stoffers (Münsterländische Bank - Stadtarchiv)
Sammlung Stoffers (Münsterländische Bank - Stadtarchiv)

Das gelang ihnen dann auch tatsächlich, wohl um die Jahreswende 1812/13 herum, und bereits 1814 erhielt Johan Heinrich den versprochenen Hof im Norden Münsters zur Pacht, welchem er dann nach und nach im Laufe der Jahre eine Kaffeewirtschaft angliederte. So bekam die Kaffeewirtschaft und damit dann auch zugleich der Hof insgesamt den Namen Rumphorst. Johan Heinrichs jüngster Sohn Johan (1844-1912), ein Bruder meines Großvaters, hat nach dem Tode des Vaters die Kaffeewirtschaft weiterentwickelt und bis zu seinem Tode im Jahre 1912 fortgeführt. Zwei Jahre später bereits, 1914, 100 Jahre nach dem Abschluss des Pachtvertrages (welcher vermutlich genau auf 100 Jahre festgelegt war), hat Johans Witwe Hof und Wirtschaft aufgegeben und sich mit ihrem zweiten Ehemann in Wolbeck niedergelassen.

Das wäre also, in kurzen Zügen, die Geschichte der Kaffeewirtschaft Rumphorst. - Wäre danicht auch noch ein steinernes Kreuz, welches sich heute noch in unmittelbarer Nachbarschaft der Stelle befindet, wo einst die Kaffeewirtschaft Rumphorst stand. Dieses Kreuz trägt auf einer unten angebrachten Tafel die folgendekaum noch leserliche Inschrift aus dem Jahre 1858:
Trag gern dein Kreuz, so trägt es dich
Zur schönen Heimat sicherlich.
Doch murrest du, so drückt es sehr
Und weichet dennoch nimmermehr.
Wirfst du es ab, so glaube mir,
Ein neues – schwerer nahet dir.

Eine später in Stein gemeißelte persönliche Danksagung des Johan Heinrich Rumphorst für das Überleben der Beresina-Tragödie und die glückliche Heimkehr ins Münsterland.


Wir Heutigen aber verdanken dieser Geschichte letztlich den Namen des Stadtteilviertels: Rumphorst.

Der Autor

Dr. jur. Werner Rumphorst, Münsteraner und „alter Pauliner“wie vor ihm bereits sein Vater (Dr. phil. Herman Rumphorst) und sein Großvater (Anton Rumphorst), war bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2007 langjähriger Juristischer Direktor der Europäischen Rundfunkunion (EBU/Eurovision) in Genf. Seitdem lebt er wieder im heimatlichen Münster.

Anton Rumphorst (1842 - 1917)
Anton Rumphorst (1842 - 1917)
Dr. Hermann Rumphorst (1896 - 1953) als Soldat
Dr. Hermann Rumphorst (1896 - 1953) als Soldat
Dr. Werner Rumphorst
Dr. Werner Rumphorst


Quellen

Text und Abbildung sofern nicht anders angegeben: Dr. Werner Rumphorst