wer kennt ihn nicht den alten, aber junggebliebenen Roggenmarkt und Drubbel. Alte Fotos zeigen einen belebten Straßenzug mit flanierenden Menschen, vielerlei Geschäften und Gaststätten. Dies ist auch heute so, es hat sich nichts geändert. Die im Krieg zerstörten Häuser wurden mit teils großer Kreativität und Sorgfalt wieder aufgebaut.
In diesem Beitrag geht es um zwei Häuser mit den Hausnummern Roggenmarkt 15 und 17 und Drubbel 17 und 18. Das alteingesessene Schreibwarengeschäft Buschmann ist allseits gut bekannt. Man erinnert sich an das ehemalige Abendlokal Elephant, das ein halbes Jahrhundert die Menschen anzog. Und auch die Volkswohlbund-Versicherung hatte hier ihren Sitz. Aber es gab noch Vieles mehr, worüber an dieser Stelle berichtet wird.
Ihr Henning Stoffers
PS
Übrigens, jedes der beiden Gebäude hat zwei Hausnummern, was sich aus der historischen Vergangenheit (Zusammenlegung bzw. Wegfall von Gebäuden) erklärt.
Das obige Foto zeigt den Roggenmarkt in seiner reizvollen Vielfalt, wie er einmal war. Wie mögen einige der Häuser vor 200, 300 Jahren ausgesehen haben? Vielleicht in einer ähnlichen schlichten Bauweise wie die Gebäude des historischen Drubbels? Dann könnte die nachstehende Aufnahme dies erahnen lassen.
Das Gebäudeensemble war einer Ansammlung von zehn einfachen Häusern auf engstem Raum. Die Bausubstanz oberhalb der Erdgeschosse bestand - wie damals üblich - aus schlichtem Fachwerk.
Die Straßenbahn und der aufkommende Autoverkehr benötigten Platz, und so wurden 1906 die Häuser nach einem Brand abgerissen. Der Drubbel war bereits zuvor ein Dorn im Auge des Stadtmagistrats...
Heute erinnert nur die hellere Pflasterung an den Grundriss der Gebäude.
Für einige Straßen der Altstadt hat die Stadt Münster im Verlag Aschendorff Häuserbücher herausgegeben. Dr. Ralf Klötzer ist Autor des Buches über den Drubbel, Roggenmarkt und Alter Fischmarkt. Die nachfolgenden Informationen konnten dieser Quelle entnommen werden.
Bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts lässt sich zurückverfolgen, wer Hauseigentümer war, wer in den Häusern einmal gewohnt hat und welchem Berufsstand ein Bewohner angehörte. Genannt werden zum Beispiel folgende Berufe oder Tätigkeiten: Gastwirt, Köchin, Stadtschreiber, Registrator, Hofkurier, Major, Kutscher, Gesellschaftsdame und Laufbursche. In der jüngeren Vergangenheit waren es u.a. Ärzte, Finanzberater, Verleger und Buchhändler. - Übrigens, die Familienangehörigen sind nicht aufgeführt, sondern nur der ,Familienvorstand' und alleinlebende Personen, wie zum Beispiel Witwen.
Auffällig sind über Jahrhunderte die vielen Kellner und Köche, die neben den anderen Mietern dort wohnten. Sie waren die Bediensteten der im gleichen Hause befindlichen Gaststätte. Deren Namen wechselten im Laufe der Zeit beliebig oft.
Vermerkt sind neben Gaststätten auch Handelsbetriebe - wie ein Teppich- und Möbelmagazin -, Werkstätten und sonstige Betriebe.
Bis ins Jahr 1389 reicht die Chronik zur Gaststätte des Hauses Roggenmarkt 15 zurück. In dessen nächster Nähe befand sich am Drubbel eine Münzstätte (niederdeutsch ,monte'), was in den frühen Jahren namensgebend für das Gasthaus war. Spätere Bezeichnungen folgten bis hin zum ,Hotel zum Kronprinzen'. Letztlich hatte das Abendlokal Elephant für ein halbes Jahrhundert hier seinen Platz gefunden. Aber der Elephant gehört inzwischen auch der Vergangenheit an.
Die Postkarte zeigt den Roggenmarkt an einem Sommertag. Da die Bogengänge auf der rechten Straßenseite gänzlich fehlen, schützen Markisen die Schaufensterauslagen vor der direkten Sonneneinstrahlung.
Schon vor mehr als 100 Jahren ist der Roggenmarkt mit seinen vielen Geschäften eine belebte Einkaufsstraße. Ein Polizist überwacht den immer stärker werdenden Verkehr, der noch von wenigen Autos, der neuen Straßenbahn und vielen althergebrachten Pferdefuhrwerken geprägt ist.
Die Häuser haben in der jahrhundertelangen Geschichte nach Bränden, Abriss und Neubau wiederholt ihr Aussehen verändert. Vor der Zerstörung im 2. Weltkrieg zeigen sich die Häuser in verschiedenen Stilrichtungen, und zwar in einem bunten Mix von Renaissance, Klassizismus, Barock und (Neu-)Gotik.
Als im Jahr 1941 die USA in den Krieg eintreten, muss Woolworth als amerikanisches Unternehmen das Geschäft in der Salzstraße 57 (Haus Niemer) schließen. Neuer Mieter mit Papierwaren wird die in ihrem Stammhaus am Drubbel früh ausgebombte Firma Heinrich Buschmann.
Nach der Bombardierung ist vom Buschmann-Haus Drubbel Nr. 17 nur die Fassade - allerdings ohne Giebel - erhalten geblieben. Beim Wiederaufbau werden Altes und Neues zu einem harmonischen Ganzen zusammengeführt. - Die Firma Buschmann kehrt ins alte Stammhaus zurück.
Die Häuser 15 und 16 (Volksbundhaus) erhalten beim Wiederaufbau eine gestalterisch herausragende Fassadenlösung, für die der Architekt Harald Deilmann verantwortlich zeichnet (siehe nachfolgenden Beitrag von Stefan Rethfeld).
Das ehemalige Volksbundhaus kommt in den Besitz der Familie Buschmann. Das Abendlokal Elephant schließt nach 50 Jahren seines Bestehens 2019 für immer und ist Anlass für einen umfassenden Umbau.
Der Supermarkt Rewe bezieht die neuen Geschäftsräume in den Häusern 15 und 16. Dabei ist eine Besonderheit zu bemerken: Das Rewe-Firmen-Logo erscheint nicht im auffälligen Rot, sondern in einem gedeckten Goldton. Die Altstadtsatzung macht dies zur Vorgabe. Diese Form der zurückhaltenden Außenwerbung stört nicht die besondere Architektur des Gebäudes.
Das Volkswohlbundhaus in Münster zählt zu den Schlüsselprojekten von Harald Deilmann. Als ein Musterbeispiel für ein Bauen im historischen Bestand. Die städtebaulich und historisch sensible Situation am Roggenmarkt - unweit des wiederaufgebauten Prinzipalmarktes - erforderte eine mit dem Umfeld besonders abgestimmte Lösung. Diese war nicht leicht zu finden.
Die Planung des neuen Geschäftshauses lag zunächst in den Händen der Architekten Körber (Dortmund) und Hans Kusseler (Münster), die in ihren Fassadenlösungen die Stadt nicht überzeugen konnten. Verschieden hohe Nachbarbauten, ein leicht abschüssiges Gelände sowie eine Satzung, die Material, Fenstergliederungen, Dachformen und Hausbreiten vorschrieb, erwiesen sich als besondere Herausforderung. Die Stadt bat daher weitere ansässige Architekten um skizzenhafte Vorschläge.
Auch Deilmann, der inzwischen auch für Altstadtsanierungen (Moers, Lemgo, Werne) bekannt war, wurde hinzuzogen. In seinem Vorschlag warb er für eine Synthese von Alt und Neu- und somit für eine Überführung tradierter Eigenarten in eine zeitgenössische Architektursprache. Sein Credo verstand er als: Nicht Revolution, sondern Evolution.
In seinem Entwurf vervollständigte er die Lücke mit zwei verschieden hohen Giebeln, die wiederum einen Erker als drittes Giebelmotiv formten. Sowohl Giebel und Erker leitete er aus der Umgebung ab. Für die abstrakt gehaltene Fassade wählte er warmtonige Tuffsteinplatten und schalungsrauhen hellen Sichtbeton - und somit eine Mischung aus überlieferter und moderner Fassadentechnik. Die Fenster aus Bronze rahmte er mit plastisch hervortretenden Fensterpfosten, so dass sich auch in der Schrägansicht dem Passanten ein lebhaftes Relief bot.
Die einzelnen Fenster wurden als horizontale Bänder zusammengefasst, vereinzelt auch vertikal verbunden, um die hochstrebende Fassadenkomposition zu verstärken.
Im Erdgeschoss markierte Deilmann einen geforderten Passageneingang stadträumlich so, dass er die Geschlossenheit der Gesamtbebauung nicht sprengte. Große Schaufensterfronten beiderseits des offenen Eingangs ließen das seinerzeit modernste Giebelhaus in Münster schweben.
Die Stadt zeigte sich später dankbar für »eine vom Historismus freie, in die Zukunft weisende Lösung«. Und für Deilmann wurde es zum Exempel einer wohlverstandenen Strategie der >>Weiterführung«<- als vermittelnde These zwischen Anpassung und Neuschöpfung.
Besonders toll finde ich die Aufnahme mit dem Schutzmann. Lange Zeit, d.h. auch noch lange Zeit nach dem 2. Weltkrieg, war dort ein Platz für Droschken. Dort konnte man direkt ein Taxi
mieten.
Man erinnere sich: Es gab Telefon, aber natürlich noch keine Handys.
Am Drubbel war eine Säule und große Laterne, die den Platz auch abends gut ausleuchtete. An dieser war ein Telefon (in einem Kasten) befestigt. Der dort wartende Taxifahrer hörte den Klingelton, nahm den Hörer ab und erhielt von der Taxizentrale den Einsatzort genannt. Erst in den 70er Jahren wurden die Taxen runter zum Spiekerhof, Ecke Neubrückenstrasse verlegt.
Der Drubbel 17 - 18 ist das Stammhaus der Fa. Buschmann. Den Roggenmarkt 15 - 16 hat man dann dazugekauft, immer wenn sich eine Gelegenheit ergab. Der genannte Wilhelm Buschmann ist mein Großvater. Rein rechtlich wird es so gewesen sein, dass eine Parzelle oder mehrere Parzellen im Privatbesitz waren, der größere Teil war jedoch im direkten Firmenbesitz.
Der vordere an der Straße liegende Teil wurde als Fläche für das Ladengeschäft genutzt. Das Grundstück ist sehr tief. Es war wohl auch nach hinten hinaus mehrstöckig bebaut. Dort befanden sich
Teile der Druckerei, des Formularverlages und der Geschäftsbücherfabrik. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Druckerei nur wieder an der Kanalstrasse wieder aufgebaut.
Das Haus Drubbel 17/18 wurde zügig komplett wieder errichtet. Die ruinenartig stehen gebliebenen Reste der Bebauung am Roggenmarkt wurden zu nur notdürftig abgedichteten Baracken ohne Zentralheizung usw. umgebaut. Zeitweise waren dort die Buchhandlung Baader und Langerräume.
Erst 1967 - der Wiederaufbau der Innenstadt war bereits Mitte der 50er Jahre weitestgehend abgeschlossen - wurde das Grundstück Roggenmarkt 15-16 von der Volkswohlbundversicherung wieder aufgebaut.
In den Jahren 2002 und 2003 fanden am Drubbel umfangreiche Ausgrabungen statt. Etwa auf der Grenze zwischen den Gebäuden Drubbel und Roggenmarkt wurde ein mittelalterlicher Brunnen gefunden, der
bis zum Abriss des Drubbels im Jahre 1906 genutzt wurde. Ich hätte es gern gesehen, wenn diese Stelle im Pflaster markiert worden wäre. Noch besser wäre es gewesen, mann hätte zur Erinnerung eine
dicke Glasplatte angebracht. Stattdessen hat man den Brunnen mit Schlacke zugeschüttet.
Ich fand das damals schade.
Jörg Hartmann ist Illustrator und hat sein Atelier in der Sophienstraße. Seine frei interpretierte Sicht auf den historischen Drubbel hat er in diesem kleinen Kunstwerk festgehalten.
Quellen
Text: Henning Stoffers
Abbildungen, wenn nicht anders angegeben:
Sammlung Stoffers (Münsterländische Bank - Stadtarchiv)
Beitrag Stefan Rethfeld: Volkswohlbund Münster, 1967 - in: Rethfeld, Stefan / Sonne, Wolfgang (Hg.): Harald Deilmann - Lebendige Architektur, Ausstellungskatalog, Baukunstarchiv NRW, Dortmund 2021, S. 242-243
Mein Dank
geht an Dr. Ralf Klötzer, Dr. Heinz-Joachim Buschmann, Jörg Hartmann und Stefan Rethfeld für die freundliche Unterstützung.